Im Rahmen eines von der lokalen FDP und SP organisierten Vortrags hat Garry Poluschkin zum Thema «Kriegswirtschaft und Wiederaufbau der Ukraine» gesprochen.

Sargans.– Garry Poluschkin arbeitet bei Berlin Economics im Projekt German Economic Team als Berater der ukrainischen Regierung. Er ist in Deutschland aufgewachsen und hat ukrainische Wurzeln. Weil er für einige Tage im Sarganserland zu Gast war, haben die Kreisparteien FDP und SP die Gelegenheit genutzt und Poluschkin zu einem Vortrag im Hotel Post in Sargans eingeladen. So konnte man aus erster Hand erfahren, wie Wirtschaft und Politik der Ukraine mit der seit Monaten schwierigen Situation umgehen.

Anita Rohner aus Bad Ragaz verfügt über vielfältige berufliche Erfahrungen in der Ukraine und hat den Kontakt mit Poluschkin vermittelt (siehe auch nebenstehenden Artikel). Yannik Bless (Nationalratskandidat, FDP Sarganserland) und Bernhard Hauser (Nationalratskandidat, SP Sarganserland) haben den Referenten begrüsst, vorgestellt und die Diskussion moderiert.

Kosten in immenser Höhe

Kompetent und informationsreich berichtete Poluschkin über die wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine in den letzten Jahren. So sei das Bruttoinlandprodukt (BIP) nach dem russischen Überfall 2014 zwar um etwa 40 Prozent eingebrochen, habe sich dann aber bis 2021 (also bis knapp vor dem jetzigen Krieg) mehr als verdoppelt. Nach dem zweiten Überfall von Russland vom 24. Februar 2022 sei die ukrainische Wirtschaft um mehr als ein Fünftel eingebrochen, konnte sich zwar nicht auffangen, jedoch diesen Stand in etwa halten. Dies sei einerseits eine Eigenleistung der Ukraine selbst, aber auch das Ergebnis starker Unterstützung der demokratisch organisierten Länder, insbesondere seitens der EU und der USA.

Aufgrund der aktuellen Situation werden die Kosten für den Wiederaufbau laut Poluschkin auf den immensen Betrag von über 400 Milliarden Dollar geschätzt. Nach Absicht der Ukraine und ihrer Verbündeten sollen die etwa 300 Milliarden Dollar des russischen Staates, die in verschiedenen Ländern eingefrorenen wurden, hierzu verwendet werden. Eindrücklich waren die vielen Informationen zu verschiedenen laufenden Massnahmen zur Verbesserung der Wirtschaft in diesem Land trotz Krieg.

Poluschkin hat aber immer wieder auf überraschende Aspekte hingewiesen, zum Beispiel, dass es selbst in den stärksten Krisentagen des laufenden Krieges keinen Bank-Run (Schaltersturm) gegeben habe, also kein Abheben eigener Gelder aus Angst vor einem Banken-Crash. Denn das Vertrauen der Menschen in der Ukraine in ihre Banken, in die Wirtschaft und die damit verbundene Politik sei intakt und das Bankensystem stabil geblieben. Abschliessend betonte Poluschkin, wie zentral die Finanzierung des Wiederaufbaus für die Ukraine ist. Dazu gehören die immensen Anstrengungen der Ukrainerinnen und Ukrainer, aber es werde nicht ohne beträchtliche Unterstützung der ihnen freundlich gesinnten Länder gehen.

Nach dem Vortrag vom Sonntag entwickelte sich eine sehr lebendige Diskussion, an der sich die Zuhörerinnen und Zuhörer beider Parteien sowie weitere Gäste rege beteiligten.

 

  • Dieser Aritkel erschien im Sarganserländer am 30. August 2023