Die Ottawa-Charta die 1986 durch die WHO verfasst wurde und an den salutogenetischen Gedanken von Antonovsky aufbaut, zeichnet folgendes Bild von Gesundheit:

  • Ein labiler, aktiver und sich dynamisch selbstregulierender Zustandspunkt innerhalb des Kontinuums zwischen Gesundheit und Krankheit
  • Gesundheit besitzt eine körperliche, psychische, soziale und ökologische Dimension und kann deshalb nicht allein durch naturwissenschaftliche und medizinische, sondern muss zusätzlich auch durch psychologische, soziologische, ökonomische und ökologische Analysen erforscht werden

Während unsere Forschungs- und Gesundheitsinstitutionen täglich enorme Fortschritte in den beschriebenen Analysen machen, bleibt jedoch ein konsequenter Handlungseffekt in der Gesellschaft aus. Warum? Ein labiler, aktiver und sich dynamisch regulierender Zustand benötigt nämlich insbesondere eines. Zeit. Zeit um aktiv und dynamisch sich mit seiner eigenen Gesundheit auseinanderzusetzen. Die Gesundheitsdefinition spricht von Aktivität. Aktivität von jenen, die die Gesundheit betrifft. Also jeden. Jeder muss sich aktiv mit seiner Gesundheit beschäftigen können um diese zu gewährleisten. Leider haben wir es zugelassen, dass die enormen Kosten, die die Erforschung und Behandlung von immer komplexer scheinenden Krankheiten, durch ökonomische Prinzipien gebremst werden sollen. Wie funktioniert die Ökonomie? Wir betrachten immer mehr unser Gesundheitswesen (welches bei genauerer Betrachtung eher ein Krankheitswesen darstellt) als ein System indem wir kundenorientiert handeln sollen und übernehmen entsprechende ökonomische Prinzipien. Standardisierung, Massenfertigung und insbesondere das Versprechen, dass die Patientinnen und Patienten behandelt werden und sich das Bild bei den Menschen manifestiert hat von: «Ich zahle dafür, also müsst ihr mich heilen!» Es entsteht zunehmend eine immense Diskrepanz zwischen der Auffassung einer aktiven und dynamischen Partizipation der zu Behandelten und den immer weniger zu Verfügung stehenden Ressourcen – not a bene eine ökonomisch herbeigeführte Reduktion von Ressourcen. An dieser Stelle ist es sinnvoll zu beachten, dass in den Ausbildungen die aktive und dynamische Teilhabe der Patientinnen zwar gelehrt wird, in der Praxis allerdings auf den Widerstand stringenter Sparprogrammen, schneller und auf Quartalszahlen basierender Entscheidungen und daraus resultierender, zunehmender Unzufriedenheit – ergo einer verminderten Leistungsbereitschaft – trifft. Aus Sicht einer Pflegefachperson scheint dies auch trotz angenommener Pflegeinitiative kein Ende zu nehmen. Solange wir nicht verstehen, dass Gesundheit wie in der Definition der WHO festgehalten ein Resultat wissenschaftlicher, medizinischer, psychologischer, soziologischer, ökologischer und eben auch ökonomischer Wirkmechanismen ist. Ebenso muss für eine gesunde Gesellschaft in den entsprechenden Disziplinen interveniert werden. Bevor dies nicht geschieht, können wir so viel Initiativen lancieren, Proteste vom Zaun brechen, Diskussionen in den Parlamenten führen und Schuldzuweisungen tätigen, wie wir wollen. Es wird und bleibt ein never ending game, solange wir die Bereiche unseres Lebens die mit einem gesellschaftlichen Auftrag verbunden sind nicht von ökonomischen Zwängen befreien. Meines Erachtens benötigen wir dazu folgende drei Massnahmen:

  • Absolute Transparenz und Volksbeteiligung aller gesellschaftlichen Strukturen innerhalb der politischen Entscheidungsprozesse
  • Generelles ausschliessen eingreifender Lobbyarbeit bei Themen die im Interesse der gesamten Bevölkerung sind.
  • Ausgleichende Investitionen in kurativen, präventiven und salutogenetischen Gestaltungen des Gesundheitswesens

 

Text von Arne Rootering