Die politische Teilhabe ist ein Grundpfeiler der Demokratie. Seit der Bundesverfassung von 1848 gab es eine stetige Erweiterung der politischen Rechte. Zuerst erlangten nicht-Christen das Wahl- und Stimmrecht, danach Analphabeten, Geistliche und als grösste Gruppe 1971 die Frauen. Trotzdem leben in der Schweiz zwei Millionen Menschen, denen das Mitbestimmen vorenthalten bleibt. Dies, weil die Schweiz eines der restriktivsten Einbürgerungsverfahren in ganz Europa hat. Kinder, die bei der Geburt ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, sollen das Bürgerrecht erhalten. Ebenso muss die Einbürgerung objektiven Kriterien unterliegen und zu einem einfachen Verfahren werden. Wohnsitzfristen, hohe Gebühren und willkürliche Gremien sind veraltet.
Auf nationaler Ebene wurde kürzlich die «Volksinitiative für ein modernes Bürgerrecht (Demokratie-Initiative)» lanciert. Sie fordert das Recht auf Einbürgerung für alle Menschen die seit fünf Jahren in der Schweiz leben und objektive Kriterien erfüllen.
Der Kantonsrat hat in der Junisession 2021 die Möglichkeit des Ausländerinnen und Ausländerstimmrechts auf Gemeindeebene abgelehnt. Keineswegs hätte der Kanton dieses für alle Gemeinden eingeführt. Lediglich hätten die Gemeinden selbst entscheiden können, ob Ausländerinnen und Ausländer bei kommunalen Angelegenheiten mitbestimmen können. Hier stellte sich die Mitte, die FDP und die SVP gegen die Gemeindeautonomie. Ein unnötiges Diktat aus St. Gallen.
Seit 2020 haben Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung das Stimm- und Wahlrecht im Kanton Genf. Die UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung, welcher die Schweiz 2014 beitrat, duldet keine Einschränkungen der politischen Rechte. Hier könnten wir als nord-östlichster Kanton dem süd-westlichsten folgen.
Kommunal haben wir das Problem, dass die Hürden für eine Initiative ausserordentlich hoch sind. In Sargans müssen 10% der Stimmberechtigten ein Begehren unterzeichnen, damit dieses zur Abstimmung kommt. Dies sind über fünf Mal mehr als national (1.9%) und kantonal (2%). Hier könnte das zusätzliche Instrument der Motion die Teilhabe fördern, wie dies beispielsweise die Gemeinde Balgach bereits kennt. Dadurch können 50 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner ein einfaches Anliegen dem Gemeinderat übergeben. Dieser wird dadurch verpflichtet, daraus eine Vorlage auszuarbeiten und sie mit den Möglichkeiten auf Eintreten, Eintreten mit geändertem Wortlaut oder Nichteintreten an der nächstmöglichen Bürgerversammlung zur Abstimmung zu bringen.
Nützliche Links und Quellen:
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- Aktion Vierviertel: https://aktionvierviertel.ch
- Historisches Lexikon der Schweiz: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/026453/2022-12-02/
- Ausländerstimmrecht auf kommunaler Ebene im Kt. Gallen: https://www.ratsinfo.sg.ch/geschaefte/5133#overview
- Stimmrecht für Menschen mit Behinderung im Kanton Genf: https://www.swissinfo.ch/ger/politik/abstimmung-kanton-genf_historisch–genf-erteilt-behinderten-das-stimmrecht/46192172
- Gemeindeordnung Balgach Artikel 29, 30 und 31.: https://www.balgach.ch/_docn/2777032/Gemeindeordnung_neu_ab_01.10.2020.pdf
Text von Arian Kehrein
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